Die Fallzahlen steigen rapide.
Was aber verbirgt sich hinter diesem relativ neuen Phänomen?
Am Telefon melden sich Menschen, die sich als Mitarbeiter der Hausbank ausgeben, um betrügerische Handlungen zu begehen. Unter einem Vorwand, etwa weil eine falsche Überweisung rückgängig gemacht werden müsse, geben die Opfer bereitwillig Auskunft und übermitteln sensible Daten - bis hin zu einer TAN. So verschaffen sich die Täter unbemerkt Zugang zum Onlinebanking und können problemlos Überweisungen ausführen.
Was genau passiert, wenn die Täter anrufen und wie man einen solchen Anruf erkennen kann, sehen Sie auch im SWR-Beitrag von Marktcheck.
Wie wichtig es doch ist, dass Menschen nicht wegschauen. So bei einem Vorfall am 22.03.2024.
Was war passiert?
Ein 97-jähriger Mann aus Lauenburg in Schleswig-Holstein hat einen Anruf erhalten. Von einer vermeintlichen Polizistin. Die hat etwas erzählt von einem schweren Unfall, verursacht von der eigenen Tochter sowie einer Kautionsforderung, damit sie nicht ins Gefängnis müsse.
Wieder so ein Betrugsversuch. Wieder ein Opfer an der Angel.
In Angst um die eigene Tochter sichert der ahnungslose Mann zu, Geld bei seiner Bank abzuheben, um die Kaution in fünfstelliger Höhe zu begleichen. Dafür haben die Betrüger dem Mann sogar ein Taxi bestellt, das kurze Zeit später vor seiner Tür steht.
Der Taxifahrer bemerkt aber, dass da etwas nicht stimmt, denn er bekommt mit, wie das Opfer mit den Betrügern telefoniert. Er weigert sich, die Fahrt zur Bank fortzusetzen und verständigt die Polizei. Das bekommen die Betrüger mit und beenden das Telefonat. Der Betrug fliegt auf.
Nur dem couragierten Eingreifen des Taxifahrers ist es zu verdanken, dass nichts Schlimmeres passiert ist.
Uneigennütziges Handeln gerade ggü. besonders schutzbedürftigen Menschen. Leider keine Selbstverständlichkeit.
Hier aber hat der Taxifahrer alles richtig gemacht und dafür gebührt ihm unser allerhöchster Respekt.
Wie der Bayerische Rundfunk auf seinem Portal BR24 berichtet, ist ein Rentner aus München wiederholt Opfer skrupelloser Betrugsbanden geworden.
Zunächst im Zeitraum Januar bis August 2023, als er wegen angeblicher BKA-Ermittlungen knapp eine halbe Million Euro auf Konten in die Türkei überwiesen hat.
Nun hat sich Anfang Februar ein vermeintlicher Staatsanwalt am Telefon gemeldet, der behauptet hat, er könne für eine Abwicklungsgebühr die halbe Million wieder zurückerhalten.
Der Rentner überwies erneut fast 50.000 Euro auf ein Konto im Ausland.
Bayernweite Präventionskampagne
Weiter berichtet BR24, dass im Freistaat Bayern Telefontrickbetrüger im vergangenen Jahr rund 24 Millionen Euro erbeutet haben. Um dem entgegenzuwirken, gab es in dieser Woche eine bayernweite Präventionskampagne. Unter anderem wurden eine Million Flyer-Karten "Trickbetrug hat viele Gesichter" an die Bürgerinnen und Bürger im Freistaat verteilt. In über 50 Apotheken lagen Taschentuchboxen mit aufgedruckten Präventionshinweisen bereit.
Wie die "Stuttgarter Nachrichten" berichten, warnt das Polizeipräsidium Stuttgart aktuell vor Betrugstaten wie beispielsweise „Falscher Polizeibeamter“ oder "Enkeltrick".
In mehreren Fällen sollen sich die Telefonbetrüger als Polizeibeamte und Staatsanwälte ausgegeben haben, um an die Ersparnisse und Wertsachen der Opfer zu kommen.
Erkenntnisse zu Schadensfällen liegen hier nicht vor.
Die Polizei Niedersachsen hat erste Zahlen aus dem Jahre 2023 zu den Betrugsphänomenen "falscher Polizeibeamter" und "Enkeltrick" veröffentlichlicht. Demnach lag die Gesamtzahl dieser Betrugstaten im "mittleren vierstelligen Bereich", bei einem finanziellen Gesamtschaden von mehreren Millionen Euro, wie aus einer Pressemitteilung des LKA Niedersachsen vom 29.01.2024 hervorgeht. Wohlgemerkt geht es um ausschließlich angezeigte Taten. Addiert man die Dunkelziffer hinzu, dürfte der Schaden weitaus höher sein.
Aktuell berichten zahlreiche Medien über die Möglichkeit, mit sog. Audio-Deepfakes die Stimmen von Angehörigen zu imitieren, um diese in ihre Täuschungshandlung einzubauen, etwa wenn es darum geht, eine Kautionszahlung zu fordern, weil die Tochter angeblich einen Unfall verursacht hat.
Was ist da dran?
Derartige Berichte sind nicht neu. So berichtete bereits der NDR im Juli 2023 unter der Überschrift "Deepfakes: Wenn Betrüger die KI für den Enkeltrick nutzen" über solche Methoden.
Allerdings sind Zweifel durchaus angebracht. So gibt es bis heute keinen einzigen Beweis für derartige Imitationen. Grundsätzlich ist anzumerken, dass es technisch mittlerweile keinen allzugroßen Aufwand darstellt, Stimmen nachzumachen. Nur wer macht das im Bereich des Enkeltrickbetruges? Ein immenser Aufwand. Woher sollen die Täter wissen, welche Angehörige sich hinter welchem Opfer verbergen?
Dennoch halten sich hartnäckig die Aussagen von Opfern, man könne Brief und Siegel geben, die Stimme der eigenen Tochter bzw. des eigenen Sohnes am Telefon erkannt zu haben.
Ist es also wahr oder doch nur eine Einbildung? Oder hatten die Täter zufällig eine ähnlichklingende Stimme? Dass es bei 1000 Anrufen in dem ein oder anderen Fall solche Zufälle geben kann, dürfte einleuchten.
Vergessen wir auch nicht, dass Opfer schon früher über solche Phänomene berichtet haben, noch bevor es KI überhaupt gegeben hat.
Also Entwarnung? Mitnichten! Denn eine KI-Nutzung beim Telefonbetrug kann man grundsätzlich nie ausschließen, auch wenn das heute noch unwahrscheinlich ist. Aber: Die KI entwickelt sich derzeit in einem rasanten Tempo. Der Stand von heute kann morgen überholt sein. Vorsicht ist daher immer geboten.
Wie mdr.Aktuell in seiner Ausgabe vom 21.01.2024 mitteilt, pendeln sich die Fallzahlen im Bereich der Schockanrufe in Thüringen aktuell mit 400 Anrufen im Monat auf ein hohes Niveau ein. Trotz der intensiven Präventionsmaßnahmen auf allen Ebenen funktioniert die Betrugsmasche leider auch weiterhin.
Die Täter bauen einen emotionalen Druck auf. Stress, Sorgen um die Familienangehörigen und der moralische Druck, unbedingt helfen zu müssen, sorgen letztlich dafür, dass die Opfer nicht mehr rational denken können. Eine gefährliche Gemengenlage. Die Opfer werden bewusst in eine Helferrolle hinein katapultiert, fühlen sich verpflichtet und befolgen die Weisungen der Täter, um zu helfen. Der Schwindel entpuppt sich erst, nachdem das Geld übergeben ist.
Ein Beispiel, wie solche Anrufe ablaufen, hat die Polizeiliche Kriminalprävention Hamburg nachgestellt.
Wie der Mannheimer Morgen in seiner Online-Ausgabe am 03.01.2024 berichtet, begann vor wenigen Tagen vor dem Landgericht Heidelberg der Prozess gegen den 31-jährigen Geldabholer Templer P., der im Rahmen eines Schockanrufs bei der Geldübergabe im Juli 2023 in Dossenheim (Rhein-Neckar-Kreis) durch die Polizei festgenommen worden ist.
Der Angeklagte steht zudem im Verdacht, zuvor auch bei einer gleichgelagerten Tat in Mainz, Hemsbach (Rhein-Neckar-Kreis) und im pfälzischen Donnersbergkreis die jeweilige Beute von mehreren tausend Euro im Auftrag der Täterbande abgeholt zu haben. Insgesamt beläuft sich der Vermögensschaden auf 128.000 Euro.
Der in Ludwigshafen geborene und in Polen bei den Großeltern aufgewachsene Mann ist Angehöriger der Bevölkerungsgruppe der Roma und hat weder eine Schule besucht, noch einen Beruf erlernt, wie er zum Prozessauftakt ausgesagt hat. Er hat die Taten gestanden. Zu seinen Auftraggebern hat er sich allerdings nicht geäußert.
Zwischenzeitlich wurde der Mann vom Landgericht Heidelberg zu 6 Jahren Haft verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
© Urheberrecht. Alle Rechte vorbehalten.
Wir benötigen Ihre Zustimmung zum Laden der Übersetzungen
Wir nutzen einen Drittanbieter-Service, um den Inhalt der Website zu übersetzen, der möglicherweise Daten über Ihre Aktivitäten sammelt. Bitte prüfen Sie die Details und akzeptieren Sie den Dienst, um die Übersetzungen zu sehen.